Man nehme …

Familienrezept nach alter Art
(im adhortativen Konjunktiv!)

Man nehme einen Vater, der Kraft,
Strenge und Autorität verkörpert,
und ein Muster an Zärtlichkeit, Vorsicht
und Weisheit als Mutter.

Man bette die Zutaten auf Liebe,
bestreue mit einer Prise Leidenschaft und einer Messerspitze Lüsternheit,
füge ein paar Tropfen in Zitronensäure aufgelöste Unschuld, Treuherzigkeit, Naivität und Vertrauen und lasse ziehen.
Man gieße die Mischung in ein luftdichtes Gefäß und lasse sie jahrelang ruhen.

Schöpfe man in regelmäßigen Abständen Groll- und Frustschaum ab,
so bildet sich normalerweise an der Oberfläche eine Schicht Dankbarkeit und Pflichtgefühl.

Nach abgeschlossenem Gärungsprozess menge man je nach Geschmack einen Hauch von Religiosität oder Scheinharmonie bei,
oder versetze nach Belieben mit Fetischen:

das Foto des Großvaters in Wehrmachtsuniform,
die getragene Unterwäsche eines Popstars,
ein Hirschgeweih oder ein Zahn des Buddhas …
Die Zugabe von Streitigkeiten, Nörgeleien, Seufzern, Tränen, Geheimnissen und Tabus bewirkt eine leicht bittere Note.

Man püriere die Mischung, passiere sie durch ein grobes Leinentuch und legiere sie mit Bittersäure.

Dann bringe man die Mischung auf schwacher Flamme zum Köcheln,
wahlweise könne man
Bohnerwachs, Staub oder Schmieröl ins Feuer gießen.

Schließlich flambiere man die Mixtur
mit Stroh Rum, Cognac oder Armagnac,
fülle sie in Flaschen und bringe sie in den Keller.
Danach trinke man den Rest der Flasche Cognac aus und gehe mit Freunden aus.